EXPERT INTERVIEW

Eine Standardisierung für digitale Wertpapiere: Im Gespräch mit ITSA e.V.

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Benedikt Scheungraber
May 05, 2020
Interview mit International Standardization Association

Cashlink: Lieber Stefan, wir freuen uns, dass du heute unser Gast bist. Stell dich und die International Token Standardization Association doch einmal kurz vor!

Stefan Schmitt: Vielen Dank für die Einladung! Zuerst zur International Token Standardization Association (ITSA) e.V. Die ITSA ist ein nicht profitorientierter Verein deutschen Rechts, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Entwicklung und Umsetzung umfassender Marktstandards zur Identifizierung, Klassifizierung und Analyse von DLT- und Blockchain-basierten kryptografischen Tokens zu fördern. Wer und warum, darauf gehen wir später noch ein.

Mein Name ist Stefan Schmitt, ich bin Projektmanager bei der ITSA und seit über einem Jahr für den Verein tätig. Ich arbeite darüber hinaus am Frankfurt School Blockchain Center und habe als Freiberufler verschiedene Startups beraten. Diese Erfahrungen bringe ich bei der ITSA ein, um unsere Projekte voranzutreiben und ein starkes Netzwerk aufzubauen.

Cashlink: Die International Token Standardization Association setzt sich für die Standardisierung von digitalen Wertpapieren ein. Warum ist das notwendig?

Stefan Schmitt: Finanzmärkte gab es auch schon vor der Blockchain. Wir sehen seit Jahren viele ambitionierte Startups, Fintechs wenn man möchte, die sich häufig auf einen ganz speziellen Use Case spezialisieren und diesen verbessern möchten. Damit fordern sie Universalbanken heraus, die ein großes Spektrum von Dienstleistungen abdecken, diese jedoch meist ’nur‘ gut, nicht exzellent.

Allerdings bringen neue Technologien auch Hürden mit sich, die es zu überwinden gilt. Zuerst die rechtliche Hürde: Technisch lassen sich viele gute Ideen umsetzen, allerdings ist bei kryptografischen Werten oftmals noch nicht final geklärt, wie diese rechtlich zu behandeln sind. Hier ist ein steter Austausch mit der regulierenden Behörde wichtig und genau das machen wir. Darüber hinaus muss es Standards geben, die einerseits den Qualitätsansprüchen der alten Finanzwelt genügen und andererseits der regulierenden Behörde helfen, klare Regeln zu setzen.

Den zweiten Punkt habe ich bereits angerissen. Viele Startups, ganz gleich ob Fintechs allgemein oder Blockchain-Startups speziell, müssen das Vertrauen der Kundschaft gewinnen. Hier gibt es zwei Hindernisse: Einerseits handelt es sich hier um neue Unternehmen, doch gerade, wenn es um das Thema Finanzen und Geldanlage geht, sind viele investierende Personen zögerlich und vertrauen etablierten Banken. Sprich: Die traditionellen Finanzmarktteilnehmenden haben einen großen Stamm an Kundschaft, die ihnen vertraut. Damit diese Banke­n sich dem Thema Blockchain, Kryptowerte und Kryptowährungen öffnen, braucht es klare Rahmenbedingungen. Daran arbeiten wir. Andererseits sorgt eine polarisierende Berichterstattung um Bitcoin und Co. für Unruhe und ein falsches Verständnis von Kryptowerten – da braucht es Aufklärungsarbeit und vor allem Klarheit.

Das ist allgemein gesprochen und nicht nur auf digitale Wertpapiere bezogen, gilt natürlich für diese ebenso. Gerade hier ist der rechtliche Rahmen noch sehr ungenau und es gilt die ‚Papierpflicht‘, sprich, Aktien müssen in physischer Form existieren. Die Entmaterialisierung ist hier ein notwendiger Schritt, um Aktien und andere Finanzprodukte nativ auf Blockchain-Protokollen zu erstellen und zu handeln. Hier sehen wir bereits progressive Schritte der Bundesregierung und des Finanzministeriums, zunächst mit dem Blick auf Anleihen und danach hoffentlich auch auf traditionelle Wertpapiere.
Gerade beim Thema digitale Wertpapiere wird deutlich, was ich zuvor angesprochen habe: Technisch sind digitale Wertpapiere problemlos umsetzbar und der Nutzen ist bekannt, rechtlich gibt es jedoch noch Hürden, die Workarounds erforderlich machen. Und genau deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen, die mit dem Thema aus verschiedenen Perspektiven konfrontiert sind, gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Bei der ITSA wären das beispielsweise Cashlink als Infrastrukturanbieter für emittierende Unternehmen, die Börsen Stuttgart und Frankfurt als Handelsplatz, und Verbände wie der BdB und BVI als Vertretende der traditionellen Finanzmarktbeteiligten.

Cashlink: Vor kurzem habt ihr mit der ITSA die International Token Identification Number (ITIN) ins Leben gerufen. Wie funktioniert die ITIN und wie beantragen Unternehmen diese ITIN?

Stefan Schmitt: Die ITIN ist tatsächlich gar nicht so neu, sondern ist eines der drei Projekte, dass die ITSA seit ihrer Gründung im Jahr 2018 verfolgt und weiterentwickelt. Jedoch haben wir erst zuletzt eine weitere Neuerung implementiert, worauf ihr euch voraussichtlich bezieht.

Zuerst allgemein: Die ITIN ist ein offener Marktstandard für die eindeutige und sichere Identifizierung von DLT- und Blockchain-basierten kryptografischen Tokens. In der alten Welt kommt sie der ISIN oder WKN damit am nächsten, ist jedoch bei weitem nicht deckungsgleich, sondern auf die speziellen Anforderungen der Blockchain-Welt ausgelegt. Warum braucht es eine eindeutige Identifizierung von kryptografischen Tokens? Weil wir bisher immer noch häufig doppelte und teils dreifache Vergabe von Identifiern haben und ebenso mehrere Identifier für einen Token. Zwei Beispiele: Einerseits wird Bitcoin je nach Handelsplatz als BTC oder XBT abgekürzt. Andererseits steht BAT für Basic Attention Token und auch für Batcoin. Diese Unklarheit ist Gift in Gesprächen mit traditionellen Finanzmarktbeteiligten, Aufsichten und Gesetzgebenden und müssen eliminiert werden. Dieses Ziel verfolgen wir mit der ITIN.

Die ITIN selbst wird teilweise proaktiv durch uns vergeben und teilweise von Unternehmen angefragt. Beispielsweise arbeiten wir mit euch, also Cashlink, eng zusammen und versehen eure neuen Tokens direkt mit einer ITIN. Der Vergabeprozess ist sehr einfach und jeder, ganz gleich ob Unternehmen oder Privatperson, kann über dieses Formular eine ITIN für einen Token beantragen. Wir prüfen jeden Antrag und vergeben entweder eine neue ITIN oder weisen auf die bereits bestehende Identifizierung hin.

Eindeutige Identifizierung von Tokens geht jedoch noch viel weiter, gerade in der Zukunft, und deshalb haben wir die ITIN um den Uniform Token Locator (UTL) erweitert. Der UTL greift automatisiert verschiedene Informationen von Tokens ab, beispielsweise den Hash nach dem letzten Fork auf ein öffentliches Blockchain-Protokoll. Damit stellen wir sicher, dass die Bitcoin-Blockchain nicht nur mit einer ITIN bedacht wird, sondern ganz genau unterschieden werden kann, von welchem Bitcoin-Fork die Rede ist. Damit ist UTL ein neuartiger Identifizierungs- und Referenzstandard, der in der Lage ist, alle Arten von Token in verschiedenen Ledgern eindeutig zu identifizieren, und der widerstandsfähig gegenüber Blockchain-Forks ist.

Cashlink: Wie steht es um die Standardisierung insgesamt? Wie viele Mitglieder unterstützen das Vorhaben der ITSA.

Stefan Schmitt: Die ITSA wird von knapp 100 Unternehmen unterstützt, dazu kommen noch viele Einzelpersonen, die sich ebenfalls einbringen und gemeinsam mit uns das Thema Standardisierung für Token-Märkte vorantreiben. Dabei sehen wir aktuell, dass das Thema ernst genommen und von Startups wie auch von großen Unternehmen unterstützt wird. Neben der ITSA gibt es noch weitere Verbände, die das Thema, teilweise aus anderen Blickwinkeln heraus, betrachten. Wir entwickeln offene Standards und stehen in regem Austausch mit anderen Initiativen, um in Zukunft einen ‚Kampf der Standards‘ zu vermeiden und geschlossen und einstimmig an Gesetzgebende und Unternehmen heranzutreten. In Zukunft sollte es einen klaren Standard geben, der die Token-Märkte sicher, zugänglich und transparent gestaltet und somit sowohl der breiten Masse an Privatpersonen als auch herkömmlichen Finanzunternehmen den Eintritt in die Welt der digitalen Werte vereinfacht.

Cashlink: Wer sind diese Mitglieder und welche Beweggründe haben sie, sich in der ITSA zu engagieren?

Stefan Schmitt: Zu unseren Mitgliedern gehören traditionelle Mitglieder aus dem Finanzmarkt, beispielsweise die Deutsche Börse und die Börse Stuttgart Digital Ventures wie auch der Main Incubator der Commerzbank sowie Branchenverbände wie der BVI und der Bundesverband deutscher Banken. Dazu gesellen sich viele verschiedene Blockchain-Startups und FinTechs, beispielsweise Cashlink, verschiedene Exchanges etc. Dabei sind wir vor allem im deutschsprachigen Raum hervorragend aufgestellt, breiten uns jedoch auch international immer weiter aus – sowohl in Europa als auch in Asien, im mittleren Osten als auch in Amerika.

Das ist wichtig, da Standards für die Token-Märkte ein globales Thema sind und wir uns hier nicht nur auf Deutschland beschränken dürfen. Wir decken damit fast die gesamte Breite an Blockchain-Anwendungen, im speziellen im Finanzumfeld ab, und treiben gemeinsam die Entwicklung von Marktstandards voran.

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